Das Projekt „Face the Music oder Der König von Kassel und der grundlegende Wandel des lokalen Nachtlebens” befasst sich mit subkulturellen Bewegungen im Raum Kassel in den späten 1970er und 1980er Jahren, insbesondere mit dem Phänomen der GI-Discos. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges waren bis 1993 (und in anderen Regionen noch länger) US-Truppen hier stationiert, wobei insbesondere schwarze GIs die Musikszene prägten und beeinflussten. Die Vielfalt und Vielfältigkeit der damaligen Clubszene und Musikstile hat mich angesichts der aktuellen Situation der Szene in Kassel und Umgebung überrascht und fasziniert. Insbesondere für schwarze Amerikaner wurde Kassel in den 1970er und 1980er Jahren zu einem zentralen Knotenpunkt für Musik und Austausch. Viele Clubs und Konzertveranstaltungen konzentrierten sich vor allem auf schwarze Genres wie Soul und Funk, später auch Electro und frühen Rap. Daraus entstanden eine Reihe von Bandprojekten zwischen US-Amerikanern und lokalen deutschen Musikern, von denen einige nur von kurzer Dauer waren und ihre Musik oft unabhängig veröffentlichten.Musikalisch brachte diese Zeit viele spannende Umwälzungen mit sich, die zu Genres führten, die noch nicht vollständig ausgebildet waren oder mit anderen Stilen verschmolzen. Neben dem sozialen Kontext und dem politischen Hintergrund interessiere ich mich besonders für die Entstehung und den Wandel der Szene und ihr Potenzial, Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund ein Gefühl der Identität zu vermitteln. Ebenso wichtig sind die Art und Weise, wie Rassismus in der Nachkriegszeit in Deutschland und den USA behandelt wurde (was sich manchmal auch auf das Leben in den Kasernen übertrug), sowie die verschiedenen Formen der kulturellen Aneignung, die innerhalb der Musik und des Nachtlebens stattfanden. In Bezug auf die Region interessiere ich mich auch für die Vergänglichkeit vieler subkultureller Trends und ihren Einfluss auf spätere Entwicklungen. Formal verwende ich für die Lecture Performance drei Vinyl-Veröffentlichungen von Kasseler Bands aus den 1980er Jahren, um verschiedene Aspekte und Entwicklungsstadien der Szene zu beleuchten. Darüber hinaus verwende ich eigene sowie gefundene Fotografien, Videoausschnitte von Live-Auftritten, Aufnahmen von Partys und Auszüge aus Interviews, die ich mit Zeitzeugen und Experten geführt habe.
So. 12.10. 16 Uhr
RadioHub Mimikri
Holger Jenss arbeitet mit Fotografie, bewegten Bildern und Ton. Seine Forschung und künstlerische Praxis konzentrieren sich auf die Analyse normativer Bildwelten, die Konstruktion subkultureller und mainstreamiger Kontexte durch visuelle Codes und deren Übersetzungen sowie postkoloniale Perspektiven auf Fotografie und Populärkultur. Von 2018 bis 2024 lehrte er an der Kunsthochschule Kassel als künstlerischer Mitarbeiter im Bereich intermediale Fotografie. Er lebt und arbeitet in Kassel.

